Nein heißt nein
– und das gilt in alle Richtungen
Teil 2: Kinder brauchen stabile Erwachsene
Nein heißt nein - Teil 2
#Elternmantras nenne ich kleine Sätze, Zeilen oder Wörter, die ich mir im Elternalltag immer wieder selbst vorsage, und die mir dabei helfen, mit gewissen Situationen oder Emotionen besser zurecht zu kommen. In dieser Serie möchte ich einige davon mit euch teilen – auf dass sie auch euer Elternleben entlasten und bereichern können.
Heute geht es zum zweiten Mal um ein #Elternmantra, das mir hilft, wenn ich versucht bin, zu leichtfertig mit dem so kleinen und doch so schwerwiegenden Wörtchen “Nein” umzugehen. Letzte Woche hat sich alles um das “Nein” aus dem Mund unserer Kinder gedreht und darum, wie wichtig es ist, auch dieses “Nein” wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Heute geht es um das “Nein” aus dem Elternmund und darum, wie wichtig es ist, dass unsere Kinder sich auch hier darauf verlassen können, dass “Nein” “Nein” heißt.
Kommt euch dieser Dialog bekannt vor?
Kind: Mamaaaa darf ich ein Eis?
Mama: Nein!
Kind: Aber biiiiiiitte!
Mama: Nein!
Kind: Das ist unfair! Ich hab ‘bitte’ gesagt! Krieg ich jetzt mein Eis?
Mama: Nein heißt nein!
Ich habe das Gefühl, dass mir der Satz “Nein heißt nein” in zwei sehr unterschiedlichen Kontexten immer wieder begegnet: Einerseits wenn es um die körperliche bzw. sexuelle Selbstbestimmung geht – diese Facette haben wir letzte Woche ausführlich beleuchtet – und andererseits aus den Mündern völlig entnervter Eltern, deren Nachwuchs ihr Nein einfach nicht akzeptieren will – diesem Aspekt wollen wir uns heute widmen.
Meine These ist, dass jene Eltern, die ihren Kindern genervt und verzweifelt ein “Nein heißt nein!” entgegenschleudern, wenn diese das erste und vielleicht auch das zweite und dritte “Nein” einfach nicht akzeptieren wollen, tatsächlich selbst nicht immer nach dieser Maxime handeln. Entweder sagen sie selbst oft erst einmal “Nein”, nur um dieses “Nein” dann doch wieder zurückzunehmen oder zu relativieren. Oder aber sie verfahren mit den Neins ihrer Kinder so ähnlich wie ihre Kinder mit den elterlichen Neins – sie werden nicht akzeptiert, hinterfragt, relativiert, nicht ernst genommen, umgangen,.. . Immerhin halten unsere Kinder uns durch ihr Verhalten immer und immer wieder einen Spiegel vor.
Wenn ich also von meinen Kindern möchte, dass sie mein Nein ernst nehmen und akzeptieren, muss ich in meinem Handeln erstens stabil, zweitens kongruent und drittens nachvollziehbar sein. Will heißen: Erstens muss ich mich in Bezug auf die Neins, die ich ausspreche, selbst an diese Maxime halten – also nur solche Neins aussprechen, die ich vorher ausreichend darauf geprüft habe, dass ich weiß, dass ich auch dabei bleiben werde. Diese werden in weiterer Folge als “festes Nein” bezeichnet. Zweitens muss ich mich nicht nur in Bezug auf diese Neins, die ich selbst ausspreche, an diese Maxime halten, sondern auch in Bezug auf jene, mit denen ich selbst konfrontiert bin, sei es von meinem Kind oder von anderer Seite. Drittens muss mein Nein einen Sinn ergeben bzw. in altersanäquaten Formulierungen begründet werden.
Festes Nein vs. weiches Nein
Ein festes Nein ist ein Nein, hinter dem ich stehen kann, weil ich es mir reiflich durchüberlegt habe, es solid vor mir selbst und meinem Kind begründen kann und weiß, dass ich dabei bleiben werde. Auch wenn mein Kind enttäuscht, traurig oder trotzig darauf reagiert, werde ich es liebevoll durch diese Emotionen begleiten, ohne dabei an Klarheit und Stabilität einzubüßen. Das ist die Art von Nein, an deren Bewältigung die Kinder wachsen können, die Art von Nein, bei der sie wissen, woran sie sind. Und die Art von Nein, die, wenn die Kinder es mal gewohnt sind, am seltensten von einem “Aber biiiiitte!” gefolgt ist. Im Idealfall wäre also jedes Nein, das wir als Eltern unseren Kindern gegenüber aussprechen, ein festes Nein.
Übrigens: Es ist faszinierend, aber das “Aber biiiiitte“-Barometer ist extrem zuverlässig: Ich hatte mal eine “Durchhängerphase”, in der es mir tatsächlich ziemlich oft passiert ist, dass ich in die “Nein – na gut – Falle” getappt bin – und prompt konnte ich bei meinen Kindern einen massiven Anstieg an ziemlich nervenraubenden “Aber biiiiiiitte“s feststellen. Irgendwann habe ich dann völlig entnervt und im Brustton der Überzeugung gefragt: “Hat das bei mir eigentlich schon jemals funktioniert???” – nur um mir, noch während ich die Frage gestellt habe, erschrocken bewusst zu werden, dass es in letzter Zeit tatsächlich ziemlich oft funktioniert hatte… Ich habe also wieder besonderes Augenmerk darauf gelegt, meine Neins einerseits wirklich überlegt auszusprechen und andererseits auf solche Bizzeleien nicht mehr entsprechend zu reagieren, woraufhin das Verhalten offenbar im inneren Index meiner Kinder wieder als nicht erfolgversprechend klassifiziert wurde. Wenn eure Kinder also zu “Aber biiiitte” und ähnlichen Verhaltensweisen neigen, ärgert euch nicht über sie, sondern nehmt sie dankbar als Hinweis dafür, dass ihr an der Festigkeit eures Neins arbeiten könntet.
Ein weiches Nein hingegen ist ein Nein, das wir zwar aussprechen, das aber auf wackeligen Füßen steht. Vielleicht haben wir es uns nicht so genau durchüberlegt und gelangen im Nachhinein zum Schluss, dass es doch auch ein Ja sein könnte. Vielleicht ist es uns doch nicht ganz so wichtig und wir lassen uns mehr oder weniger gerne umstimmen, wenn wir am treuherzigen Blick unserer Kinder erkennen, wie wichtig ihnen ihr Anliegen ist. Jedenfalls ist es ein Nein, das die Stabilität jedes nachfolgenden Neins zu schwächen im Stande ist, weil es einen Präzedenzfall dafür liefert, dass “Nein” eben nicht immer “Nein” heißen muss. Um die Zahl der weichen Neins möglichst gering zu halten, hilft es, sich zu vergegenwärtigen, aus welchen Situationen heraus wir ein weiches Neeeein aussprechen und was wir jeweils stattdessen sagen könnten.
“Neeeeein, weil das die schnelle Antwort ist”
Häufig sagen wir einfach erst einmal “Nein“, weil wir das Gefühl haben, wir müssen schnell antworten und haben keine Zeit, um uns die Sachlage erst einmal gründlich durchzuüberlegen, bevor wir antworten. Oder wir haben schlicht und ergreifend keine Lust oder gerade gar keinen Kopf dafür. Dann scheint es uns sicherer, erst einmal “Nein” zu sagen, wenn das Ja nicht wirklich auf der Hand liegt. Immerhin ist es dem Kind gegenüber ja auch viel einfacher, ein vorschnelles Nein zurückzunehmen, wenn es zum Beispiel mit guten Argumenten kommt, als ein vorschnelles Ja, wenn mir im Nachhinein dämmert, dass das vielleicht doch keine so gute Idee war… Eine durchaus nachvollziehbare Strategie, wäre da nicht die Kleinigkeit, dass unsere Kinder unsere Neins generell nicht mehr so ernst nehmen, wenn sie oft genug erlebt haben, dass sie auf wackeligen Füßen stehen…
Was also kann ich sagen, wenn ich keine Zeit, keine Lust, keinen Kopf, keine Energie habe, lange nachzudenken, bevor ich reagiere? Ich habe da gleich mehrere Möglichkeiten im Repertoire:
— “Puh, lass mich einen Moment darüber nachdenken!“
Simpel aber effektiv: Wenn es mir weder an Lust noch an Kopf mangelt, sondern die Ungeduld meines Kindes das Problem ist, kann es einen Riesenunterschied machen, wenn ich einfach explizit mache, dass ich es nicht bösartig auf die Folter spanne, sondern mir die Antwort einfach gründlich überlege. Wenn ich dann auch noch laut denke, hat das gleich mehrere Vorteile: Es ist nicht so langweilig, auf die Antwort zu warten und mein Kind bekommt meine Gedankenprozesse mit, wodurch es einerseits meine Entscheidung besser nachvollziehen kann und andererseits ganz nebenbei mitbekommt, wie ich eine Entscheidung treffe – wie ich Für und Wider abwäge und verschiedene Aspekte bedenke, gegebenenfalls die Bedürfnisse und Befindlichkeiten unterschiedlicher Personen mit einbeziehe, und so weiter.
Sollte die Ungeduld sich auch durch lautes Nachdenken nicht nachlassen, können wir erstens anerkennen, dass wir sie wahrnehmen (“Ja, ich merke, dass du ungeduldig bist! Du willst endlich wissen, ob du da raufklettern darfst oder nicht! Ich bin aber noch nicht fertig mit dem Nachdenken” und zweitens auch klar machen, dass im Zweifelsfall, wenn ich nicht ausreichend Zeit zum Denken habe, die Antwort “Nein” lautet – und zwar nicht als Strafe, sondern schlicht und ergreifend, weil es die sicherere Variante ist…
— “Das ist eine gute Frage! Was meinst du dazu?“
Wir laden also unser Kind dazu ein, die Entscheidung gemeinsam zu treffen und auch gemeinsam darüber nachzudenken. Das ist ein Weg, den ich sehr gerne einschlage, weil Eigenverantwortlichkeit etwas ist, das man nicht oft und nicht früh genug trainieren kann. Und ob ihr’s glaubt oder nicht, es funktioniert! Wenn wir uns auf einen ehrlichen, authentischen und wirklich ergebnisoffenen Dialog mit unseren Kindern einlassen, statt in den althergebrachten hierarchischen Strukturen zu verharren, in denen wir Eltern das Entscheidungsmonopol inne haben, können wir ganz wunderbar große und kleine Entscheidungen gemeinsam treffen.
Und wenn ihr jetzt denkt “Das funktioniert doch niemals! Das Kind wird doch immer nur seine Interessen durchsetzen wollen!“, dann sagt meine Erfahrung etwas anderes. Wenn wir es nicht vorher zu einem Machtkampf werden lassen haben oder den Machtkampf als gängige Kommunikationsstruktur in unserer Familie etabliert haben, dann geht es von keiner Seite um das Durchsetzen von Interessen, sondern von beiden Seiten nur um das finden der bestmöglichen Lösung. Und ich habe schon oft erlebt, dass die Kinder sich dann von sich aus für “Nein” oder für irgendeine andere Alternative oder Variante entschieden haben…
Ich würde diesen Weg allerdings nur wählen, wenn ich auch wirklich ehrlich ergebnisoffen und interessiert an einer gemeinsamen Lösung bin. Wenn ich eigentlich schon sehr genau weiß, dass die einzige für mich akzeptable Antwort “Nein” ist, und mein Kind auf diese Weise nur dazu bringen möchte, das von selbst einzusehen, ist das eine Manipulation, die ziemlich nach hinten losgehen kann.
–“Lass uns gemeinsam eine Liste machen!“
Das ist eigentlich eine Variante von “Was meinst du dazu?”, ich wollte bloß einmal anmerken, dass Pro-Contra-Listen ein wunderbares Instrument sind, für das kein Problem zu klein und keines zu groß ist und dass auch Kinder – schon lange bevor sie die Listen selber schreiben können – oft sehr viel damit anfangen ;).
–“Ich glaube, eher nicht, weil…“
Wir hören so oft, dass Kinder von ihren Eltern klare Ansagen und gerade Linien brauchen, damit sie sich auskennen, wo es lang geht. Aber was ist, wenn eben nicht immer alles klar und gerade ist? Ich persönlich mache es in meinen Formulierungen lieber klar erkennbar, ob es sich um ein festes oder ein weiches Nein handelt, als vor lauter Klarheitsbestrebungen in die “Nein-na gut-Falle” zu tappen… Wenn ich weiche Formulierungen wie “Ich glaube, eher nicht, weil…” verwende, wissen meine Kinder sofort drei Dinge: Erstens meine Tendenz geht gerade in Richtung Nein, zweitens es gibt aber noch Verhandlungs- bzw. Entscheidungsspielraum und drittens, was meine Beweggründe wären, “Nein” zu sagen. Die Diskussion ist hiermit eröffnet und ich kann mich von ihren Argumenten gerne überzeugen lassen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Oder sie entscheiden sich, dass es ihnen doch nicht so wichtig ist, dass sie sich auf eine Diskussion oder ein gemeinsames Abwägen von Für und Wider einlassen, und akzeptieren meine Ansage als Nein.
“Neeeeein, weil ich nicht maaaaaag”
Da ist es ja wieder, das Nein aus Bequemlichkeit! Das kennen wir doch schon aus unserer kleinen Nein-Typologie – und es hat von allen dort aufgelisteten Neins wohl das größte Potential zum weichen Nein… Eben weil es so bequem ist. Ich sage “Nein”, um meinen eigenen Komfort zu schützen – den sehe ich erst einmal durch das Ansinnen meines Kindes gefährdet, wenn die Reaktion meines Kindes auf mein Nein dann allderings so ausfällt, dass mein Komfort durch die Reaktion mehr gefährdet ist als duch das ursprüngliche Ansinnen, bin ich recht schnell bereit, mein Nein zurückzunehmen und in ein Na gut zu verwandeln. Herzlich willkommen in der “Nein-na gut-Falle”!
Dürfen wir jetzt unseren eigenen Komfort aber gar nicht mehr schützen? Dürfen es Eltern nicht auch einmal bequem haben wollen? Doch! Natürlich! Aber machen wir es doch für unsere Kinder explizit, dass ihr Ansinnen in Konflikt mit unserem Komfort steht. Vielleicht mit ein bisschen anderen Worten…
— “Du möchtest … . Das bedeutet für mich, dass … . Das wäre aber ganz schön … für mich. Was machen wir da?”
Ein gängiges Beispiel aus dem Alltag vieler Eltern (also, zumindest aus meinem…): “Du möchtest, dass ich dich auf den Schultern trage. Das bedeutet für mich, dass dein Gewicht mir die ganze Zeit auf die Schultern drückt. Das wäre aber ganz schön anstrengend für mich und ich bin besorgt, dass ich nachher wieder Verspannungen in den Schultern habe. [Grüße mal wieder an die Lieblingsmasseurin ;)] Was machen wir da?“
Ich lege also wieder meine Empfindungen glasklar und offen dar und lade mein Kind zum gemeinsamen Problemlösungsprozess ein. Im konkreten Fall einigen wir uns meistens auf eine der folgenden Lösungen: Ich trage so lange, bis ich spüre, dass es gleich weh tun wird. Dann warne ich dich zuerst vor und setze dich dann ein paar Schritte später ab und sag Bescheid, wenn es wieder geht. ODER Ich trage dich bis zur nächsten Straßenlaterne, dann gehst du bis zur übernächsten, dann trage ich dich wieder, usw. ODER Ich trage dich, aber nur am Rücken, weil das für die Schultern schonender ist. ODER Du gehst selber, aber wir singen dabei ein Lied, das du aussuchst oder ich erzähle eine Geschichte, damit die Zeit schneller vergeht. … Aber wir hatten auch schon “Mama, ich hab eine Idee! Du trägst mich jetzt bis nach Hause und dafür massier ich dir nachher gut die Schultern!” – Das war so süß, dass ich auch nicht “Nein” sagen konnte ;). Wie gesagt: Ergebnisoffen ist das Stichwort!
— “Du möchtest … . Dann passiert aber auch … . Das wäre mir aber gerade zu … . Wenn dir ein Weg einfällt, wie wir … vermeiden können, gerne!“
Also zum Beispiel: “Du möchtest mit den Wasserfarben malen. Das ist aber immer eine ziemliche Sauerei. Das wäre mir aber gerade zu stressig. Wenn dir ein Weg einfällt, wie wir die Sauerei vermeiden können, gerne!“
Hier lade ich das Kind nicht nur zum gemeinsamen Problemlösen ein, sondern spiele ihm ganz klar den Ball zu. Das geht natürlich erst ab einer gewissen kognitiven Reife, die erstens die Fähigkeit zur Vorausplanung und zweitens die Fähigkeit zur Einhaltung von Vereinbarungen beinhaltet. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist es aber eine feine Sache, wenn sich mein Nein an einer konkreten Sache aufhängen würde und ich gerade keine Ressourcen zum kreativen Denken habe. Auch hier gilt wieder: Ergebnisoffen bleiben! Die Lösungen, mit denen unsere Kinder dann daherkommen sind oft äußerst kreativ und unerwartet und außerhalb aller Möglichkeiten, die uns vielleicht naheliegend erschienen wären…
“Neeeeein, weil ich dein Anliegen einerseits nicht gutheiße, aber andererseits verstehe”
Wie oft kommt es vor, dass unsere Kinder mit Anliegen kommen, die wir einerseits total gut nachvollziehen können, aber andererseits können wir aus irgendeinem Grund nicht einfach “Ja” sagen. An dieser Stelle einerseits der Appell zu prüfen, ob es sich vielleicht um ein “Nein aus Gewohnheit oder Konvention” handelt (“Nein, weil man das doch nicht macht“) und gegebenenfalls über den eigenen Schatten zu springen und einfach mal auszuprobieren, was passiert, wenn man doch “Ja” sagt. Andererseits kann ich natürlich auch hier wieder, wie oben beschrieben, ein bisschen Zeit zum Nachdenken einräumen bzw. zum gemeinsamen Nachdenken einladen.
Vor allem aber möchte ich euch gerade in diesen Fällen zu Authentizität und Offenheit an Stelle von betonter elterlicher Härte und Autorität ermutigen: Manchmal haben wir als Eltern Angst, dass wir an Glaubwürdigkeit oder Autorität einbüßen, wenn wir zeigen, dass wir die Wünsche und Anliegen unserer Kinder verstehen und nachvollziehen können. Das macht uns so weich und angreifbar und führt am Ende dazu, dass wir uns leichter überreden lassen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: In dem Moment, in dem wir die Mauern hochziehen, uns hart und unnahbar zeigen und bloß nichts von unseren Emotionen durchscheinen lassen, verbauen wir uns den Weg zu fruchtbarem Dialog – wir werden eben dadurch unglaubwürdig und unsere Mauer lädt erst recht dazu ein, ordentlich dagegen zu rennen. Wenn wir es unseren Kindern aber erlauben zu sehen, dass wir ihr Anliegen wirklich nachvollziehen können – dass sie damit wirklich wahr- und ernstgenommen werden, dann können wir auf Augenhöhe darüber kommunizieren. Wir können miteinander darüber sprechen, was sie sich wünschen und warum, und auch über unsere Bedenken – und wir können gemeinsam eine Lösung finden, mit der alle leben können. Statt “Neeeeein” sagen wir also zum Beispiel:
–“Du würdest gerne …. . Das stellst du dir … vor. Ich kann das total gut verstehen, und gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass… .”
Also zum Beispiel “Du würdest jetzt gerne getragen werden. Das stellst du dir so gemütlich vor! Ich kann das total gut verstehen – ich würde mich jetzt auch voll freuen, wenn einfach ein Pony um die Ecke kommen würde und ich aufsteigen könnte… Und gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass es mir einfach zu viel wird, wenn ich dich jetzt trage. Ich bin auch schon total müde…”
Übrigens noch eine kleine Nebenbemerkung zum Wünschen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es so heilsam und wohltuend für die Kinder ist, wenn ihre Wünsche – egal wie realistisch oder unrealistisch sie sind – erst einmal wirklich gesehen und anerkannt werden! Oft ist dann auch gar nicht mehr notwendig! Früher habe ich geglaubt, wenn ein Kind einen unrealistischen Wunsch äußert, ist es meine Aufgabe als Mama, ihm geduldig immer und immer wieder zu erklären, dass und warum das jetzt nicht geht, auch wenn es in diesem Prozess immer wütender wird. – Aber nein: Es ist einfach meine Aufgabe, ihm aktiv zuzuhören und zurückzuspiegeln, dass ich wahrnehme, dass es sich das jetzt wirklich sehr wünscht. Dann muss ich es manchmal schon auch durch eine Phase der Enttäuschung begleiten, aber diese Wut des nicht gehörten Wunsches, die fällt einfach weg. Es ist unglaublich…
Und gerade mit Kindern in der Magischen Phase können wir dann auch wunderbar mit der Phantasie arbeiten und uns vorstellen, wie das wäre, wenn wir zum Beispiel Zauberkräfte hätten, mit denen wir den Wunsch doch erfüllen können… Aber das ist dann wieder ein anderes Thema… oder auch nicht… Denn wenn ich zum Beispiel mit meinem Kind, das gerade von der Kindergarten-Geburtstagsjause kommt, am Eisgeschäft vorbeigehe und zu seinem Wunsch nach einem Eis “Nein” sage, dann bleibe ich bei “Nein heißt nein”, aber das heißt nicht, dass wir nicht auf unserem weiteren Weg wunderbar darüber fantasieren können, was wir jetzt gerne für ein Eis essen würde und welche verrückten Sorten und Kombinationen wir erfinden würden, wenn wir selbst ein Eisgeschäft hätten, und so weiter…
Und mit dem Eis schließt sich auch wieder der Kreis. Das war mein letzter Input zum Thema “Nein”. Ich hoffe, ihr konntet euch ein paar Anregungen für Alternativen mitnehmen, die euch helfen, dieses mächtige Wort wirklich nur dann einzusetzen, wenn ihr es auch meint. Apropos: Mehr zum #Elternmantra “Sage, was du meinst und meine, was du sagst“ gibt es nächste Woche an dieser Stelle!
***Herzlichen Dank für die Illustration an Orsolya Fodor (@tamatea16 auf Instagram)***
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